CEDI - Auskunfts- und Beratungsstelle Europaverband der Selbständigen in Andorra Auf Isard-Jagd im Paradies - Pyrenäen-Gemsen im Fürstentum Andorra

 . . . Nichts wird so leicht für Übertreibung gehalten wie die Schilderung der reinen Wahrheit. - Joseph Conrad

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Auf Isard-Jagd im Paradies

Pyrenäen-Gemsen im Fürstentum Andorra

In Andorra, dem Zwergstaat in den östlichen Pyrenäen, ist die Jagd schon immer Tradition gewesen. Doch der enorme Bevölkerungszuwachs in diesem Steuerparadies auf inzwischen ca. 65.000 Einwohner und die immer raffinierter gewordene Jagdausrüstung und -methoden haben das einstige Gleichgewicht gestört.

Das von den Jägern in Andorra, von denen auch einige Deutsche sind, am meisten bevorzugte Wild ist die Pyrenäen-Gemse, die hier "Isard" heisst und mit lateinischem Namen "Rupicapra rupicapra pyrenaica". Sie ist kleiner als die Gemsen in den Alpen. Zum Vergleich:

Masse / Gewicht: Pyrenäen-Gemse Alpen-Gemse
Höhe [in cm] 65 - 70 70 - 85
Länge [in m] 1,05 - 1,10 1,10 - 1,40
Ausgewachsene Tiere [in kg] 24 - 35 35 - 48

Tabelle: Vergleich der Gemsenarten

Im Winter ist das Fell beider Arten dunkel gefärbt, im Sommer ist das Fell der Pyrenäen-Gemse jedoch fuchsrot und das der Alpen-Gemse ist fahlrot.
1993 hat die Landwirtschaftsabteilung der Regierung 510 Jagdlizenzen für die Jagd auf die Pyrenäen-Gemsen ausgestellt. Erlegt wurden 148 Tiere. Diese Zahl entspricht in etwa derjenigen der letzten 6 Jahre. Spanien und Frankreich, die beide ausgedehnte Reservate ausweisen, erlauben den Abschuss von nur 150 Gemsen pro Jahr. Der gesamte Bestand beträgt um die 10.000.

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Bild 1: Foto 2 Isards [isard_dia2.jpg] [27 Kbyte]

In Andorra gibt es zwei Reservate, "Enclar" und "Xixerella", in denen keine Isards gejagt werden dürfen. Jährlich werden im gesamten Land Bestandszählungen durchgeführt:

  1990 1991 1992[1] 1993 1995
Reservat "Enclar" 18 26 - 47 78
Reservat "Xixerella" 3 2 - 11 43
Bestand in den Reservaten 21 28 - 58 121
Bestand im restlichen Land 65 42 - 56 43
Anzahl der Jäger 505 518 508 510 488
Anzahl der erlegten Gemsen 150 151 172 148 120

Tabelle: Bestandszählung

Im Juli 95 wurden 248 Isards gezählt, wovon sich 128 in den beiden Reservaten befanden. Der optimale Bestand an Pyrenäen-Gemsen liegt laut Auskunft der Regierung bei 2.537 Exemplaren, ohne die Tiere in den Reservaten. Jedoch verhindert die exzessive Jagd immer wieder die Vermehrung dieser Spezie.
"Die Pyrenäen-Gemse gehört nicht zu den Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind" hat der Biologe Jordi Fernández in seinem Bericht für die andorranische Regierung erklärt. Demgegenüber weist die Naturschutzorganisation "ADN - Associació per a la Defensa de la Natura" mit Nachdruck darauf hin, dass die Tierarten, die in der EU geschützt sind, auch in Andorra geschützt sein sollten. Viele Tierarten, die in Andorra nicht geschützt sind, stehen in den das Fürstentum umschliessenden Staaten unter Schutz.

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Bild 2: Foto Isard [isard_dia3.jpg] [50 Kbyte]

Die Isard-Jagdzeit ist jedes Jahr während 8 Tagen, sie beginnt am Sonntag nach dem Nationalfeiertag (8. September) und endet am darauffolgenden Sonntag (10.-17.9.1995). Während der achttägigen Saison sind in den ersten beiden Tagen die meisten Jäger in den Bergen. Danach nimmt der Jagdbetrieb kontinuierlich ab. Eine Jägergruppe umfasst 5 - 15, in Einzelfällen bis 25 Personen. Jäger, die alleine auf Pirsch gehen sind in Andorra eher selten. Im September liegt die mittlere Monatstemperatur in 1.640 m über dem Meer bei + 10°C. In dieser Zeit befinden sich die Isards in 1.600 - 2.700 m Höhe.

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Bild 3: Foto Isard [isard_dia1.jpg] [64 Kbyte]

1994 war vorgesehen 500 Jagdlizenzen zu erteilen. Die Lizenzen können immer erst ab dem 1. September beim Generalsekretariat für Umwelt, einer Abteilung des andorranischen Landwirtschaftsministeriums (1), beantragt werden. Der Grossteil der Antragsteller sind Andorraner und Residenten. 1994 gab es je eine Lizenz zum Abschuss einer Pyrenäen-Gemse pro Jäger. Zusammen mit der Jagdlizenz und Abschussgenehmigung wird ein Ring abgegeben, den der Jäger nach dem Abschuss an dem erlegten Tier anbringen muss und den dieses auch noch während des Abtransports tragen muss. Die Jäger sind verpflichtet, nach dem Abschuss einer Pyrenäen-Gemse eine Karte auszufüllen mit den Daten des erlegten Tieres und diese binnen eines Monats der Regierung zu Statistikzwecken zu übergeben.

Andorraner und in Andorra ansässige Ausländer zahlten 1994 für eine Lizenz 7.000 Peseten (das sind umgerechnet ca. 82 DM) und nicht ansässige Ausländer 55.000 Peseten (ca. 640 DM). Alle Antragsteller müssen darüberhinaus nachweisen, dass sie den Pflichtmitgliedsbeitrag an den Jagdverein, die "Associació de Caça i Pesca de les Valls d'Andorra" (2), der 1994 2.000 Peseten (ca. 23 DM) betrug, entrichtet haben.[2] Auch muss eine Bescheinigung einer für Andorra zugelassenen privaten Haftpflichtversicherung mit einer Mindestdeckungssumme von 40 Millionen Peseten (ca. 470.000 DM) für durch den Jäger oder seine Hunde verursachte Schäden vorgelegt werden. Alle Ausländer müssen einen Waffenschein vorlegen[3], was von den Andorranern nicht verlangt wird, weil es Brauch ist, dass jedes andorranische Familienoberhaupt ein Jagdgewehr haben muss.

Informationen zu Unterkunftsmöglichkeiten und Anreise sind bei der andorranischen Touristikvertretung in Berlin (3) erhältlich. In Andorra gibt es einige sehr gut ausgestattete Fachgeschäfte für den Jägerbedarf. Und weil es im Fürstentum auch keine Mehrwertsteuer gibt, sind die Preise entsprechend günstig. Fast 400 Deutsche haben bereits ihren Wohnsitz in den Mikrostaat Andorra verlegt; nicht nur wegen der dann günstigeren Preise für Jagdlizenzen, sondern auch weil man als Resident in diesem Niedrigsteuerland keine direkten Steuern zahlen muss. Bei den Gestaltungsmöglichkeiten in Zusammenhang mit einer Standortnutzung empfliehlt es sich vorher bei der Auskunfts- und Beratungsstelle des Europaverbandes der Selbständigen in Andorra (4), wo man auch Deutsch spricht, sich beraten zu lassen. Über die Beziehungen dieses Informationsbüros kann interessierten Jägern in Einzelfällen auch der Kontakt zu einheimischen Jägern angebahnt werden.

In Andorra ist der "Cos de banders", eine Abteilung der Regierung, damit beauftragt, die Jagd und den Fischfang zu überwachen. Diese Spezialeinheit kritisiert, dass es zwar ein Jagdgesetz gibt, aber die notwendigen Ausführungsbestimmungen immer noch fehlen. Das interne Reglement erteilt dem Korps keinerlei Befugnisse, denn die Truppe darf nicht einmal Fahrzeuge anhalten, sie wird nur tagsüber eingesetzt und sie darf keine Waffen bei sich führen. Auch zählt diese Einheit nur 16 Mitglieder und ist zudem schlecht ausgebildet. Eine effiziente Überwachung des Staatsgebietes von nur 468 km² ist deshalb unmöglich. So kommt es, dass in Andorra die Wilderer in der Regel nachts auf Jagd gehen. Offiziell heisst es, dass es in Zukunft vorgesehen ist, dem "Cos de Banders" weitreichendere Befugnisse einzuräumen, wie z.B. das Recht, Waffen zu tragen und Fahrzeuge zu durchsuchen, und dieses Korps in eine Art Gebirgspolizei umzuwandeln. Doch die Jäger ihrerseits besitzen eine starke Lobby mit sehr grossem Einfluss im Parlament und bringen so die beabsichtigten Gesetze, die an der derzeit bestehenden Regelung etwas ändern könnten, zu Fall.

Sobald die Jagdsaison beginnt, kommt es immer wieder zu skandalösen Zwischenfällen. Hierunter leiden besonders die seriösen Jäger, die ihr Image in Gefahr sehen. Die Medien stürzen sich gerne und ausgiebig auf die negativen Ereignisse, und berichten nicht über die Jäger, die diesem Sport noch in alter und ehrlicher Tradition nachgehen. So kam es z.B. im vergangenen Jahr (1994) im Madriu-Tal zu einem richtigen Massaker, in dem eine gesamte Herde von 33 Pyrenäen-Gemsen, darunter 9 Kitze in nur einer Stunde durch gut 200 Schüsse niedergemetzelt wurde.
Ein Kitz zu töten, ist ein Delikt und wird mit einem Bussgeld von 300.000 - 500.000 Peseten (ca. 3.500 - 7.400 DM) belegt, als auch dem Entzug der Jagdlizenz und Jagdverbot für 3 Jahre sowie der Einleitung eines Strafverfahrens.

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Bild 4: Foto Isard Kitz [isard01.jpg] [49 Kbyte]

1994 hat der "Cos de Banders" während der Gemsenjagdsaison 154 Personen im Gebirge kontrolliert. Es wurden insgesamt 46 Lager von Jägern gezählt. Als der "Cos de Banders" im Beisein der Polizei am Envalira-Pass ein Fahrzeug einer Jägergruppe kontrollierte, wurden fünf Isards, von denen nur 2 beringt waren, gefunden. Die Jäger hatten nur 2 Abschussgenehmigungen gehabt. Bei einer anderen Kontrolle wurde ein Jäger ohne Jagdlizenz festgestellt.

Den Jägern ist es natürlich verboten, über die Grenzen von Andorra hinaus zu gehen und in Spanien oder Frankreich zu jagen. Doch daran haben sich in der Vergangenheit einige "schwarze Schafe" nicht gehalten, so dass es zu Beschwerden aus den Nachbarstaaten kam. 1994 hatte man deshalb die gesamte Grenze mit einer Kordel abgeriegelt, was zumindest eine Art psychologische Barriere darstellte. Dennoch treiben listige Jäger eine Herde, die sich auf der "falschen" Seite der Grenze befindet durch Schreckschüsse oder geländegängige Motorräder auf andorranisches Territorium. Es soll aber auch schon vorgekommen sein, dass man durch Schüsse die benachbarten Grenzschützer vertrieben hat und danach auf deren Gebiet gejagt hat.

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Bild 5: Foto Isard [isard11.jpg] [39 Kbyte]

Von einigen passionierten Jägern wird beklagt, dass es so manchem ihrer Jagdkollegen am echten Sportsgeist fehlt, denn diese benutzen Geländewagen oder Off-road-Motorräder, um bequem in die unzugänglichen Regionen zu gelangen. Manche lassen sich und ihre Ausrüstung einschliesslich Motorrad sogar per Hubschrauber in die unwegsamen Berge bringen. Einige Jäger lieben es besonders komfortabel und verzichten nicht auf Kühlschrank, Mikrowellenherd, Geschirrspülmaschine, Telefon, Fernseher und fliessendes warmes Wasser.

Der "Cos de Banders", der die Funkgespräche der Jäger abhört, ist immer wieder überrascht, dass die Jäger unter sich nicht nur die Standorte der gesichteten Pyrenäen-Gemsen mitteilen, sondern sich auch über die Standorte dieses Korps informieren, was eigentlich verboten ist. Neuerdings ärgert sich dieser Korps, dass einige Jäger ihre Funkgeräte mit Verschlüsselungsequipment bestückt haben, was deren Abhörung verunmöglicht.

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Bild 6: Foto Isard [isard_dia4.jpg] [41 Kbyte]

Die Bemühungen, die Jagd auf die Pyrenäen-Gemsen zu beschränken, reichen bis in die 60er Jahre zurück. Selbst eigene Landsleute bezeichnen die Art, wie heute die Isards gejagt werden, als absurd. Die immer raffinierter gewordenen Waffen, die Transportmittel der Jäger und deren enorme Anzahl lassen den Pyrenäen-Gemsen fast keine Überlebenschance.

Die traditionellen Jäger beklagen sich darüber, dass nicht wenige ihrer Kollegen halbautomatische und automatische Waffen einsetzen. Obwohl es illegal ist, sollen einige sogar Militärwaffen [4] benutzen, die eine Schussentfernung von etwa 4 km erlauben. Die oft übliche Schussdistanz liegt bei vielen Jägern zwischen 200 bis 500 m. Ganz konkret kann man sich vorstellen, was passiert, wenn diese "hochgerüsteten" Jäger auf eine Herde Isards treffen; Delfí Roca, Geschäftsführer der andorranischen Umweltschutzorganisation "APAPMA - Associació per a la Protecció d'Animals, Plantes i Medi Ambient" hat dafür nur einen Ausdruck: "Das ist kein Jagen mehr, das ist Krieg!"

So kommt es auch, dass vom eigentlichen Jagdgeschehen kaum Fotos an die Öffentlichkeit dringen. Viele Fotografen winken ab, weil es zu gefährlich sei, Jäger bei der Isard-Jagd abzulichten.

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Bild 7: Foto Isard [isard09.jpg] [52 Kbyte]

Der vor kurzem mit grösster Eile vorgelegte Gesetzesentwurf für die Änderung des Jagdgesetzes hatte vorgesehen, zu den beiden bereits existierenden Reservaten drei weitere hinzuzufügen, so dass dann ein Drittel des Landesgebietes als Schutzzonen ausgewiesen worden wäre. Doch kurz vor der Abstimmung im Parlament am 30.6.95 hat man die vorgeschlagenen neuen Reservate wieder fallengelassen.

Auch die beabsichtigte Reduzierung der Abschussgenehmigungen auf 125 hat man in letzter Sekunde verändert und die Quote für die abzuschiessenden Pyrenäen-Gemsen auf ein Viertel aller Lizenzen, im Vorjahr waren theoretisch 500 Abschüsse erlaubt, festgesetzt. Um nun die verringerten Abschussgenehmigungen auf die schätzungsweise rund 500 Jäger aufzuteilen, ist beabsichtigt, nur Kollektivlizenzen auszugeben. So sollen nun Gruppen pro 4 Jäger eine Abschusslizenz erhalten. Wie man die Lizenzen aufteilen soll auf Gruppen von 5 oder 3 Jägern, weiss man in der Regierung noch nicht.

Clevere andorranische Jäger haben jedoch schon ausgeheckt, wie sie dem neuen Gesetz ein Schnippchen schlagen können; sie beantragen einfach Jagdlizenen für Freunde und Verwandte. So kommt es, dass dann auch der hochbetagte Grossvater - zumindest auf dem Papier - in den steilen Hochgebirgshängen wieder auf die Isard-Jagd geht.

So wird diese Spezie wie bisher in jeder Jagdsaison stark dezimiert. Kämen nicht immer wieder Pyrenäen-Gemsen aus den spanischen und französischen Reservaten über die Grenze, gäbe es in Andorra längst keine Pyrenäen-Gemsen mehr.

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